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Kunst plus Kapital gleich Sozial

Kunst-Sozial-Aktien im Bielefelder Kunstverein

MANFRED STRECKER
Neue Westfälische, 20.2.2001

Bielefeld. Der Hund zeigt Gebiss, er fletscht die Reißzähne beißlustig, der Hund leuchtet glühend rot, lüstern» nicht nur den Schweif hält er steil aufgestellt. Das Tier schmückt eine Aktie im Nennwert von „5 Euro“ – ausgegeben von der gemeinnützigen „Sozial-Aktien-Gesellschaft Bielefeld“. Der „rote Hund“ des ostwestfälischen Malers Wolfgang Waesch geht denkbar gut, schon mancher Kunstfreund wurde damit zum Kleinaktionär.

Ins Depot wird dieser Anteilsschein vermutlich nicht wandern, das Papier erzielt keine Dividende. Ebenso wenig wie die bisher 21 weiteren aufgelegten Aktien, alle als Kunstwerke angelegt, das zu Grunde liegende Bild von zeitgenössischen Künstlern geschaffen. Und doch wird dieses Aktienkapital aller Voraussicht nach Überschüsse erbringen, das in soziale, gemeinnützige Projekte fließt. Damit will der Bielefelder Diplomsoziologe Franz Schaible beweisen, dass die ungewohnte Formel aufgeht: „Kunst plus Kapital = Sozial“.

Soziale Zwecke bestimmt der Aktienkäufer selbst. Wer diese Inhaber-Aktien im Nennwert von 5 bis 50 Euro kauft, hat mehrfachen Nutzen. Er erwirbt Aktien im Sinne des Aktienrechts. Er erhält ein Kunstwerk, nummeriert und signiert, das er sich rahmen lassen, in seinem Grafikschrank verwahren oder das er verschenken kann. Und er beruhigt sein soziales Gewissen, denn beim Aktienerwerb kann der Käufer bestimmen, welchem sozialen Zweck der auf seine Anteile entfallende Überschuss zu Gute kommen soll – einem Verein, einer Bürgerinitiative, einer sozialen Einrichtung oder Organisation, nur gemeinnützig muss der Nutznießer sein.

Die Idee zur Gründung einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft mit Kunstblättern und Kunstwerken als Aktien hatte Schaible, Begründer und Geschäftsführer der gemeinnützigen Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung (GAB), Anfang Dezember verwirklicht. Als Experten für Kunst und Künstler gewann er den Geschäftsführer des Bielefelder Kunstvereins, Prof. Andreas Beaugrand. In dessen Haus, im Bielefelder Museum Waldhof, werden ab heute Abend bis zum Sonntag die Kunst- und Sozial-Aktien vor- und zum Verkauf ausgestellt.

Viele Namen aus Ostwestfalen-Lippe findet man in der Künstlerliste – Karin Irshaid, Fred Schierenbeck, Gereon Inger zum Beispiel. Die meisten haben im Bielefelder Kunstverein schon ausgestellt – von auswärts Wolfgang Troschke, Markus Baldegger oder Hans Sieverding. Die Drucke, durch Signatur und Nummerierung echte Kunst, werden von 5 bis zu 50 Euro gehandelt – zuzüglich Einzelverbriefungskosten“, mit denen das Künstlerhonorar bezahlt wird, so dass der Aktiennennwert tatsächlich vollständig sozialen Zwecken zu Gute kommt.

Die Sozial-Aktien-Gesellschaft befindet sich im Besitz der auch von Schaible gegründeten „Stiftung Solidarität bei Arbeitslosigkeit und Armut“ mit ursprünglichem Aktienkapital von 550.000 Euro. Die seit Dezember ausgegebenen Kunst-Sozial-Aktien entsprechen einer Kapitalerhöhung von 275.000 Euro oder knapp 550.000 Mark. Bei wenig Werbung habe man seit Anfang Dezember Aktien im Wert von 150.000 Mark veräußert.